IWF-Experte: “Die ökonomischen Annahmen waren irrwitzig”

Der Autor Paul Blustein recherchiert seit Jahren im Inneren des Internationalen Währungsfonds.

“Bluestein: Problematisch war vor allem, dass es nicht früh genug einen Schuldenschnitt gegeben hat. Das wäre sicherlich nicht ausreichend gewesen – in Griechenland waren viele Reformen notwendig. Die ökonomischen Annahmen im Jahr 2010 aber waren geradezu irrwitzig optimistisch. Griechenland hätte unglaubliche Sparmaßnahmen durchsetzen müssen, um die Ziele des Programms zu erreichen. Am Anfang sollte ein Haushaltsüberschuss von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung erzielt werden. Das ist viel mehr, als selbst eine gesunde Volkswirtschaft schaffen kann, dabei steckte Griechenland schon damals in der Rezession.

ZEIT ONLINE: Hat denn keiner im IWF gemerkt, dass dieses Szenario unrealistisch ist?

Bluestein: Klar, aber die Alternative lautete Schuldenschnitt, und das war für die mächtigsten Politiker in der EU inakzeptabel. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch gute Argumente gegen einen teilweisen Schuldenerlass, nämlich die Ansteckungsgefahr, wenn auch andere Länder dies gefordert hätten. Trotzdem wurde die größte Bürde für die Rettung Europas bei Griechenland abgelegt. Das war unfair, und es rächt sich bis heute: Die Krise hält immer noch an.”

http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-03/griechenland-iwf-hilfe-sparprogramm-eu-kommission-dominique-strauss-kahn